Richard Ziegler

*1891 Pforzheim
†1992 Pforzheim

Richard Ziegler

Mutter mit Kind

Richard Ziegler

Marionetten 1

Richard Ziegler

Marionetten 2

Richard Ziegler

Marionetten 3

Richard Ziegler

Marionetten 4

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Marionetten 5

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Marionetten 8

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Marionetten 12

 

 

 

Biographie

 

Der Pforzheimer Maler, Grafiker und Zeichner Richard Ziegler war ein Autodidakt, dessen Leben und Werk maßgeblich von den politischen Umwälzungen des 20. Jahrhunderts geprägt waren. Seine Karriere als Vertreter der Neuen Sachlichkeit wurde durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 jäh beendet, denn Ziegler musste aufgrund seiner kritischen Haltung gegenüber dem Nationalsozialismus, die sich auch in seinen Werken zeigte, vor dem neuen Regime ins Ausland fliehen.

Künstlerische Ausbildung

Richard Ziegler wurde am 3. Mai 1891 als Sohn eines Volksschullehrers in Pforzheim geboren und war Abiturient am Reuchlin-Gymnasium. Nach dem Abitur besuchte er in den Jahren 1910 und 1911 die Shakespeare-Grammar-School in Stratford-upon-Avon in Großbritannien. Anschließend studierte er Philologie an den Universitäten in Genf, Greifswald und Heidelberg. Unterbrochen durch seine Teilnahme am Ersten Weltkrieg, schloss er sein Studium 1919 in Heidelberg mit der Promotion zum Dr. phil. ab.

Anschließend betätigte er sich als Autodidakt künstlerisch. Zwischen 1923 und 1925 unternahm Ziegler mehrere Studienreisen nach Italien, die seinen Stil maßgeblich beeinflusst haben. Er nahm Anregungen aus dem Kubismus und dem italienischen Futurismus auf und malte farbintensive Landschaften, Dörfer und insbesondere Frauenporträts. 1925 übersiedelte er nach Berlin und beteiligte sich ab dem Folgejahr an den Ausstellungen der Novembergruppe. In dieser Zeit schuf er zahlreiche Porträts des Berliner Bürgertums und Darstellungen von Prostituierten und Revuetänzerinnen. Im Gegensatz zu Künstlern wie George Grosz und Otto Dix waren Zieglers Darstellungen jedoch eher empathisch als satirisch. 1925 heiratete er die Malerin Mathilde Rosenthal, Jüdin und Großnichte des Malers Max Liebermann, die er 1924 auf Capri kennenlernte und von der er sich 1926 scheiden ließ. Mathilde Rosenthal wanderte nach der Scheidung in die USA aus.

Nationalsozialismus

Im März 1933 schrieb Ziegler in sein Tagebuch:

„Meine Arbeit ist staatsfeindlich und kulturwidrig, sie bringt mir eher Gefängnis als Geld ein. Denn wir leben in Tagen der Wiederaufrichtung der deutschen Moral und Sitte. Es ist Zeit, dass ich fortkomme. In Deutschland sind mir die Gefängnisse zu voll mit meinesgleichen. Nacht, Schweigen, meine Arbeit verbergen, untertauchen. Nüchtern rechnen, fordern, handeln. Allen misstrauen, auf keinen warten, arbeiten und wachen.“

Mitte 1933 flüchtete er mit seiner jüdischen Verlobten und späteren zweiten Ehefrau Edith Lendt nach Jugoslawien. Dort lebte er bis 1936 hauptsächlich auf der süddalmatinischen Insel Korčula. Von 1933 bis 1935 schuf Ziegler, der ein erklärter Gegner der Nationalsozialisten war, unter dem satirischen Titel "Führer sehen Dich an" 29 Monotypien, in denen er mit karikaturesken Darstellungen die gesamte Naziführung verhöhnte - rechts als Beispiel die Karikaturen des Reichsjugendführers Baldur von Schirach und des Reichspropagandaministers Joseph Goebbels.

Emigration nach England

Nachdem Edith Lendt und Richard Ziegler 1936 noch einige Monate in Paris verbrachten, emigrierten sie 1937 nach England, wo sie 1938 heirateten. Edith Lendt hatte familiäre Verbindungen zu England und arbeitete als Gymnastiklehrerin und Sekretärin. Später bekamen sie eine gemeinsame Tochter. Von Juli bis September 1940 war Ziegler als „feindlicher Ausländer“ in einem Lager in Huyton bei Liverpool interniert. Anschließend war er bis zum Ende des Krieges für das Britisch Ministry of Information sowie das United States Office of War Information im Einsatz. Während dieser Zeit war er auch als Buchillustrator und Pressezeichner tätig und schrieb, um seine in Deutschland lebenden Eltern nicht zu gefährden, unter dem Pseudonym Robert Ziller für verschiedene Londoner Zeitungen. Seine anti-nationalsozialistischen Karikaturen wurden unter anderem in der deutschen Emigrantenzeitung "Die Zeitung" veröffentlicht. Ab 1944 lebte Ziegler mit der Engländerin Susan Snow, einer wohlhabenden Innendekorateurin, zusammen und erhielt 1948 die britische Staatsbürgerschaft.

Nachkriegszeit

1962 zog Ziegler mit Susan Snow auf die spanische Insel Mallorca, wo er eine neue künstlerische Phase begann. Unter dem südlichen Licht entwickelte er einen expressiv-realistischen Stil, in dem seine Palette heller wurde und er alte Motive wieder aufgriff. 1982 gründete er in Calw die Richard-Ziegler-Stiftung, in die er eine große Anzahl seiner Bilder und Grafiken einbrachte. Seinen Lebensabend verbrachte Richard Ziegler in seiner Heimatstadt Pforzheim, wohin er 1989 alleine zurückkehrte. Anlässlich seines 100. Geburtstags wurde Ziegler zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt ernannt. Richard Ziegler starb am 23. Februar 1992, kurz vor seinem 101. Geburtstag, in Pforzheim. Seine langjährige Lebenspartnerin Susan Snow verstarb am 12. Februar 2000 auf Mallorca.

Heute gilt Richard Ziegler als wichtiger Vertreter der Kunst zwischen Expressionismus und Neuer Sachlichkeit. Seine Werke werden zunehmend neu bewertet, wobei auch sein Spätwerk Beachtung findet. Das Werk in unserer Sammlung stammt aus den 1920er Jahren und ist ein Motiv aus Zieglers italienischer Phase. Charakteristisch für diese Phase sind die futuristischen und kubistischen Elemente, die sich in einigen Darstellungen italienischer Stadtlandschaften und auch in unserem Werk zeigen.

Das Mappenwerk „Marionetten

Es ist uns gelungen, diesen sehr seltenen Zyklus aus zwölf handsignierten Opaldrucken, die um 1926 entstanden sind, zu erstehen und mit Hilfe der Google-Ki "Gemini" auch zu verstehen. Die Blätter zeigen Szenen aus dem Berliner Leben der 1920er Jahre. Zu den zwölf Drucken gehören das nebenstehende Deckblatt und eine Seite einleitender Text.

Der Text ist ein Teilzitat aus einer alten Lutherbibel und stammt aus dem Buch "Prediger - Kapitel 3". Der biblische Text ist eine tiefgründige philosophische Betrachtung über die Zyklen des Lebens und dessen Vergänglichkeit. Die Kernbotschaft ist, dass alles im Leben seinen vorherbestimmten, gottgegebenen Zeitpunkt hat – Freude und Leid, Geburt und Tod, Krieg und Frieden. Der Mensch hat keinen Einfluss auf diesen universellen Plan; er muss die Mühen und Plagen des Lebens hinnehmen, wie sie ihm von Gott auferlegt werden.

Im Kontext zu den zwölf Grafiken Zieglers unterstreicht der Text die Machtlosigkeit des Menschen angesichts eines höheren Plans oder der Umstände des Lebens. Das passt perfekt zur Metapher der "Marionetten", die von unsichtbaren Fäden, wie dem Schicksal, oder den gesellschaftlichen Zwängen, gelenkt werden. Die Menschen in Zieglers Grafiken sind Gefangene ihrer Zeit und ihrer Rolle, unfähig, den Lauf der Dinge wirklich zu bestimmen.

Die zwölf zitierten Gegensatzpaare "Weinen und lachen", "Lieben und hassen", "Streit und Friede" usw., spiegeln genau die Bandbreite der menschlichen Erfahrungen und Verhaltensweisen wider, die in den zwölf Grafiken dargestellt sind. Die Drucke zeigen das pulsierende, aber auch flüchtige und oft oberflächliche Berliner Leben der 1920er Jahre.

Die abschließenden Sätze über die "Mühe, die Gott den Menschen gegeben hat, dass sie darin geplagt werden" und dass "Er aber alles zu seiner Zeit tut", verleihen den Darstellungen einen ernsten, fast moralisierenden Unterton. Ziegler zeigt das Treiben der Menschen, verweist aber gleichzeitig auf die letztendliche Bedeutungslosigkeit und Vergänglichkeit all dieser Aktivitäten im großen Plan der Dinge.

Was uns nicht gelungen ist, ist die eindeutige Zuordnung der zwölf Grafiken zu den zwölf Gegensatzpaaren aus der Bibel. Möglicherweise war das von Ziegler auch nicht beabsichtigt.

 

Das vollständige und modernisierte Zitat des Bibeltextes

Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde:

1. Geboren werden hat seine Zeit und sterben hat seine Zeit.

2. Pflanzen hat seine Zeit und ausreißen was gepflanzt ist hat seine Zeit.

3. Töten hat seine Zeit und heilen hat seine Zeit.

4. Abbrechen hat seine Zeit und bauen hat seine Zeit.

5. Weinen hat seine Zeit und lachen hat seine Zeit.

6. Klagen hat seine Zeit und tanzen hat seine Zeit.

7. Steine wegwerfen hat seine Zeit und Steine sammeln hat seine Zeit.

8. Herzen hat seine Zeit und aufhören zu herzen hat seine Zeit.

9. Suchen hat seine Zeit und verlieren hat seine Zeit.

10. Schweigen hat seine Zeit und reden hat seine Zeit.

11. Lieben hat seine Zeit und hassen hat seine Zeit.

12. Streit hat seine Zeit und Friede hat seine Zeit.

Ich sah die Mühen die Gott den Menschen auferlegt hat, dass sie sich damit plagen.

Er aber tut alles zu seiner Zeit.

Richard Ziegler

Richard Ziegler 1926

Richard Ziegler

Baldur von Schirach

'

Richard Ziegler

Joseph Goebbels

Richard Ziegler

Marionetten - Deckblatt

Richard Ziegler

Marionetten - Text