Die am 19. Juli 1937 in den Münchner Hofgarten-Arkaden eröffnete Ausstellung „Entartete Kunst“ war aus heutiger Sicht der Tiefpunkt und gleichzeitig ein Wendepunkt in der nationalsozialistischen Kulturpolitik. Sie war als Feme-Ausstellung konzipiert, um die moderne Kunst der Weimarer Republik, die sogenannte "Verfallskunst", öffentlich an den Pranger zu stellen, zu diffamieren und endgültig aus dem deutschen Kunstbetrieb zu verbannen.
Das Hauptziel der Ausstellung war es, die Bevölkerung im Sinne der NS-Ideologie zu manipulieren. Die Nationalsozialisten stilisierten Werke von Künstlern wie Max Beckmann, Ernst Ludwig Kirchner, Oskar Kokoschka, Emil Nolde, Marc Chagall und Pablo Picasso als "undeutsch", "jüdisch-bolschewistisch" und "krank". Die Präsentation war bewusst chaotisch und abschreckend inszeniert: Bilder hingen dicht gedrängt und schief an den Wänden, oft ohne Rahmen, versehen mit verhöhnenden Titeln und Preisschildern, die die angeblichen Kosten für das "deutsche Volk" anprangerten.
Der propagandistische Charakter wurde durch den direkten Vergleich verstärkt: Nur wenige Meter entfernt, im neu eröffneten "Haus der Deutschen Kunst", präsentierte das Regime zeitgleich die "Große Deutsche Kunstausstellung". Diese zeigte die als "gesund" und "deutsch" definierte Kunst – naturalistische, heroisierende Darstellungen von Bauern, Soldaten und idealisierten Landschaften – als das einzig wahre künstlerische Ideal.
Die Ausstellung "Entartete Kunst" war ein immenser Erfolg im Sinne der NS-Propaganda und wurde von über drei Millionen Menschen in München besucht. Sie wanderte danach durch weitere Großstädte wie Berlin, Leipzig, Salzburg und Wien. Die Schau diente als Vorwand für eine landesweite Beschlagnahmungsaktion, bei der über 20.000 Werke aus mehr als 100 deutschen Museen entfernt wurden. Diese Werke wurden anschließend zerstört oder auf dem internationalen Kunstmarkt verkauft.
Die Ausstellung besiegelte das Ende der künstlerischen Moderne in Deutschland. Künstler, deren Werke als "entartet" galten, wurden mit Berufsverboten belegt, viele wurden zur Emigration gezwungen oder gerieten in die Mühlen der Verfolgung. Die Ausstellung "Entartete Kunst" war somit nicht nur eine Kunstschau, sondern ein zentraler Akt der kulturellen Säuberung und ein tragisches Kapitel der Zensur in der deutschen Geschichte.
Der Testlauf für diese Ausstellung fand übrigens schon im April 1933 in der Badischen Kunsthalle in Karlsruhe statt. Die Karlsruher Zeitung berichtete damals auf ihrer Titelsite über die „Schreckenskammer der Kunst“. Die chaotische Präsentation der Werke und ihre despektierliche Kommentierung waren die Blaupause für die Münchner Ausstellung. „Die Schreckenskammer der Kunst“ wird das „Thema des Monats“ im Januar sein.
Unten folgend das Original des Ausstellungsführers, der im Sommer 1937 vor der Eröffnung der Wanderausstellung „Entartete Kunst“ in München herausgegeben wurde. Verantwortlich für den Inhalt war der Maler Fritz Kaiser, der zu diesem Zeitpunkt Gaukulturwart in Baden war. Er stammte aus Villingen und hat sein Studium an der Kunstakademie in Karlsruhe absolviert. Der Katalog ist ein wichtiges historisches Dokument, das exemplarisch zeigt, auf welch perfide Art und Weise die Künstlerinnen und Künstler der Moderne von der NS-Propaganda attackiert wurden und er dokumentiert gleichzeitig die ideologische Zielsetzung der nationalsozialistischen Kulturpolitik.
Ausstellungsführer „Entartete Kunst“ (1937)
Digitalisat des Originals von 1937 von lostgen.art
Hinweis: Der Katalog ist gemeinfrei.