Kurt Schwitters

*1887 Hannover
†1948 Kendal / England

Kurt Schwitters

Elly Beermann

 

 

 

Biographie

 

Kurt Schwitters war ein deutscher Maler, Dichter und Installationskünstler, der vor allem für seine einzigartige Stilrichtung „Merz“ bekannt ist. Seine Kunst verband Elemente des Dadaismus, des Konstruktivismus und des Surrealismus und entstand oft aus gefundenen Alltagsobjekten und Abfallmaterialien.

Ausbildung und Erster Weltkrieg

Am 20. Juni 1887 wurde Curt Hermann Eduard Karl Julius Schwitters in Hannover geboren. Nach dem Abitur studierte er von 1908 bis 1909 an der Kunstgewerbeschule in Hannover und wechselte anschließend an die Dresdner Kunstakademie, wo er bis 1914 lernte. Aufgrund seiner Epilepsie und psychischen Probleme wurde er 1917 vorzeitig aus dem Militärdienst entlassen. Er arbeitete danach als technischer Zeichner in einem Eisenwerk, was seine künstlerische Entwicklung stark beeinflusste. Der Erste Weltkrieg hatte eine tiefgreifende Wirkung auf Schwitters. Er empfand, dass die traditionellen Formen der Kunst nicht mehr gültig waren und beschloss, aus den Fragmenten der zerstörten Welt etwas Neues zu schaffen.

Künstlerische Entwicklung und das „Merz“-Konzept

Ab 1918 begann er seine ersten Collagen, die sogenannten „Merzbilder“, zu fertigen. Er benutzte gefundene Materialien wie Fahrkarten, Zeitungsausschnitte und Abfälle, um die Ästhetik des Krieges und der Konsumgesellschaft zu reflektieren. Das Wort „Merz“ leitete er von einem Fragment des Wortes „Commerzbank“ ab, das er auf einer seiner Collagen gefunden hatte. Er benutzte den Begriff als Sammelwort für all seine kreativen Aktivitäten, die von Lyrik und Klangkunst bis hin zu raumgreifenden Installationen reichten. Obwohl er nie offizielles Mitglied der Berliner Dada-Bewegung war, pflegte er engen Kontakt zu Dada-Künstlern wie Hans Arp und Roul Hausmann. Er veröffentlichte auch das Magazin „Merz“ und war in der internationalen Kunstszene gut vernetzt, unter anderem mit den Künstlern des Bauhauses und der De Stijl-Bewegung.

Schwitters erweiterte das Merz-Konzept auch auf die Architektur. Er baute seine Wohnung in Hannover zu einer raumgreifenden, begehbaren Installation um, die er „Merzbau“ nannte. Es handelte sich eine ständig wachsende, skulpturale Umgebung, die er bis 1937 weiterentwickelte. Dieses monumentale Werk wurde jedoch im Zweiten Weltkrieg bei einem Bombenangriff zerstört. Schwitters betätigte sich auch lyrisch. 1919 veröffentlichte er das Gedicht An Anna Blume, das ihm weltweite Anerkennung verschaffte. Zwischen 1923 und 1932 entwickelte er die Ursonate, ein revolutionäres Lautgedicht, das Sprache auf Silben und Buchstaben reduzierte.

Nationalsozialismus und Flucht nach England

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde Schwitters als „entarteter“ Künstler diffamiert. Viele seiner Arbeiten wurden beschlagnahmt. 1937 floh er mit seinem Sohn Ernst nach Norwegen, da er inzwischen von der Gestapo verfolgt wurde. Seine Frau Helma blieb in Hannover. Während seines Exils in Norwegen begann er einen zweiten „Merzbau“, der jedoch ebenfalls zerstört wurde Nach dem Einmarsch der Deutschen in Norwegen in 1940, musste er erneut fliehen, diesmal nach England. Dort wurde er zunächst als „feindlicher Ausländer“ in einem Internierungslager festgehalten, wo er weiterhin künstlerisch tätig war.

Nach seiner Freilassung im Jahr 1941 lebte Schwitters in London und später im Lake District. Dort begann er mit dem Bau eines dritten Merzbaus, den er aufgrund gesundheitlicher Probleme jedoch nicht mehr vollenden konnte. Nach mehreren Schlaganfällen starb Kurt Schwitters am 8. Januar 1948 in Kendal, einen Tag, nachdem ihm die britische Staatsbürgerschaft zugesprochen worden war. Er wurde zunächst in England beigesetzt. 1970 wurden seine sterblichen Überreste nach Hannover überführt.

Zu dem Werk „Elly Beermann“ aus dem Jahre 1923

Bevor Schwitters seinen weltberühmten, avantgardistischen "Merz"-Stil entwickelte, absolvierte er eine akademische Ausbildung und beherrschte auch die traditionelle Malerei. In dieser Zeit orientierte er sich an der konventionellen akademischen Kunst seiner Zeit. Werke aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zeigen einen post-impressionistischen Stil. Er malte unter anderem Porträts, Stillleben und Landschaften. Seine Fähigkeit, Menschen und Objekte realistisch darzustellen, wurde bereits in seiner Studienzeit anerkannt. Interessanterweise hörte Schwitters aber nicht gänzlich mit der figurativen oder realistischen Malerei auf, als er die Merz-Kunst entwickelte. Neben seinen Collagen und Assemblagen schuf er bis zu seinem Tod im Jahr 1948 weiterhin auch Werke in einem eher realistischen Stil, darunter Porträts und Landschaften. Die traditionelle Malerei war für Schwitters auch eine Einnahmequelle. Er fertigte Skizzen und Porträts an, um seinen Lebensunterhalt zu sichern.

Elly Beermann, geborene Leuken oder auch Luyken, wurde 1888 in Krefeld geboren und starb 1967 in Lüneburg. Sie war verheiratet mit Dr. jur. Georg Beermann, der zunächst in Berlin als Regierungsrat, dann in Hannover als Oberregierungsrat und ab 1928 in Lüneburg als Vizeregierungspräsident tätig war. Beide hatten bis 1928 in Hannover ein glückliches, durch einen großen Freundeskreis beeinflusstes Leben. Dabei entwickelte Elly ein ausgeprägtes künstlerisches Interesse und pflegte eine enge Verbindung zur Kästner-Gesellschaft in Hannover. In diesen Kreisen lernte sie um 1920 auch Kurt Schwitters kennen, der sich mit der Familie Beermann anfreundete. Uns liegt ein Foto von 1925 aus Schwitters Fotoalbum vor, auf dem ein gemeinsamer Strandurlaub von Schwitters mit der Familie Beermann im Ostseebad Göhren auf Rügen zu sehen ist. Schon kurz nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten, am 30. Januar 1933, wurde Georg Beermann im Alter von 59 Jahren aus dem Staatsdienst entlassen und als Beamter verabschiedet. Die Familie übersiedelte von Lüneburg nach Hamburg, wo er eine Anwaltskanzlei eröffnete. Als "Verfemte" wurde der Gesellschaftskreis für Elly Beermann nun natürlich kleiner. Allerdings scheute sie nicht davor zurück, ihren Unmut über den Krieg und über die nationalsozialistische Gewaltherrschaft offen zu äußern.

Wie in der Chronik der Familie Leuken/Luyken vermerkt ist, war unser Werk fast 100 Jahre im Besitz der Familie. Das freundschaftliche Verhältnis zwischen Kurt Schwitters und der Familie Beermann lässt darauf schließen, dass dieses Werk keine Auftragsarbeit, sondern ein Geschenk von Kurt Schwitters an Elly Beermann war. 2022 wurde es bei einer Auktion in Hannover angeboten.

Kurt Schwitters

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