Elfriede Lohse-Wächtler

*1899 Löbtau / Dresden
†1940 Pirna


Elfriede Lohse-Wächtler

Junge Frau

Elfriede Lohse-Wächtler

Patient in Friedrichsberg

 

 

 

Biographie

 

 

Elfriede Lohse-Wächtler wurde am 4. Dezember 1899 als Anna Frieda Wächtler in Löbtau bei Dresden geboren. Schon als Kind künstlerisch interessiert, strebte sie eine Ausbildung an der Dresdner Kunstakademie an. Als ihr Vater dies ablehnte und auf einer traditionellen Lehre bestand, verlässt sie mit 16 Jahren ihr Elternhaus und beginnt 1915 eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule. Sie wird Mitglied der Dresdner Sezession und lernt über Otto Dix ihren späteren Ehemann Kurt Lohse, einen Maler und Opernsänger kennen. 1921 heiratet sie ihn und folgt ihm 1925 nach Hamburg, wo er eine Gesangsstelle angetreten hat. Zwei Jahre später erfährt sie, dass Lohse sie betrügt und mit einer anderen Frau zwei uneheliche Kinder hat.

Da Lohse auch das von ihr verdiente Geld verprasst, gerät sie in eine psychische Krise. Auf Initiative ihres Bruders und eines Freundes wird sie 1929 für zwei Monate in die Nervenheilanstalt Hamburg-Friedrichsberg eingewiesen, wo sie ihre Mitpatientinnen portraitiert. Nach ihrer Entlassung gelang ihr eine Ausstellung mit den in der Heilanstalt entstandenen „Friedrichsberger Köpfen“, die in Hamburg sehr große Resonanz fand. Der Erlös aus den anschließend verkauften Bildern reichte nicht, um davon zu leben. Von Lohse getrennt, rutschte sie sozial immer weiter ab und kehrt 1931 in ihr Elternhaus nach Dresden zurück.

Die andauernden Probleme mit ihrem Vater beförderten ihre Krankheit weiter. Im März 1932 wird sie in die Psychiatrie des Dresdner Stadtkrankenhauses eingeliefert und im Juni 1932 in die Landesanstalt Arnsdorf bei Dresden verlegt. Als die Nazis 1933 an die Macht kamen, ahnte niemand, in welch tödlicher Gefahr geistig behinderte und psychisch kranke Menschen plötzlich waren. Auch Elfriedes Eltern haben das zu spät erkannt und es nicht mehr geschafft, ihre Tochter wieder zu sich nach Hause zu holen. Am 31. Juli 1940 wurde Elfriede Lohse-Wächtler im Rahmen der Euthanasieaktion T4 mit dem Bus in die Tötungsanstalt „Sonnenstein“ bei Pirna transportiert, wo sie noch am gleichen Tag in der als Dusche getarnten Gaskammer im Keller des Hauses mit Kohlenmonoxid ermordet wurde.

 

Bis zum 2. November 2025 gibt es eine Ausstellung ihrer Werke in der Kunsthalle Vogelmann in Heilbronn.

 

Zur Provenienz unserer Werke

Die Junge Frau haben wir 2023 in einer Galerie in Miami entdeckt. Das Werk gelangte mit einer jüdischen Familie Mitte der 1930er Jahre zunächst nach England, wo die Familie bis 1960 lebte. Danach ging sie in die USA. Der Großvater war Kunstsammler und seine Enkel haben ab 2020 verschiedene Werke aus der Sammlung zum Kauf angeboten. Die "Junge Frau" gehört offensichtlich zu den Werken, die Elfriede Lohse-Wächtler verkaufen konnte. Bemerkenswert an diesem Werk ist seine Modernität. Denn diese Art der Karikatur war ihrer Zeit voraus. Vergleicht man die "Junge Frau" mit Elfriede Lohse-Wächtlers wohl bekanntestem Werk "Lissy", erkennt man deutliche Parallelen. Denn auch die Darstellung von "Lissy" - hier ein Bildausschnitt - geht Richtung Karikatur:

 

Elfriede Lohse-Wächtler

Stilvergleich "Junge Frau" und "Lissy" - beide 1931 entstanden


An dem Werk Patient in Friedrichsberg scheiden sich die Geister. Ist das ein Mann, oder ist das eine Frau? Dieser Kopf trägt zweifellos androgyne Züge. Im Werkverzeichnis von Georg Reinhardt ist er als "Männliches Brustbildnis" betitelt. Dieser Titel geht wohl auf Elfriedes Bruder Hubert zurück, der zwischen 1969 und 1979 das erste Werkverzeichnis erstellt hat. Das Werk gehört laut Hubert Wächtler zu den "Friedrichsberger Köpfen" - rund 60 Zeichnungen, in welchen die Malerin während ihrer Zeit in der Heilanstalt Friedrichsberg ihre Mitpatienten, Pfleger und Ärzte verewigt hat. Dabei handelt es sich überwiegend um Bleistiftskizzen oder Darstellungen mit farbigen Pastellkreiden.

Unser Werk ist allerdings von seiner Ausführung als Aquarell anders als die anderen Werke aus diesem Zyklus. Das Werk stammt aus dem Nachlass von Elfriede Lohse-Wächtler, den ihr Bruder Hubert aufbewahrt hat. Als Hubert Wächtler 1988 stirbt, vererbt er dem Hamburger Ehepaar Marianne und Rolf Rosowski seine Wohnung mit dem Nachlass seiner Schwester. Von 1988 bis 2020 wird der Nachlass von Marianne und Rolf Rosowski verwaltet. Die "Sammlung Prinzhorn" in der Universität Heidelberg kaufte 2021 das Gros dieses Nachlasses. Insbesondere der Zyklus der "Friedrichsberger Köpfe" sollte in Gänze erhalten bleiben. Da unser Werk untypisch war für diesen Zyklus, wurde es laut dem Vorbesitzer, quasi aus Versehen, schon 2018 auf dem Kunstmarkt angeboten.

Interessanterweise wurde der "Patient in Friedrichsberg" 2019 in der Ausstellung "Die schaffende Galatea - Frauen sehen Frauen" in Halle an der Saale als "Hagere Frau" präsentiert. Unter diesem Titel wurde er auch 2018 von dem Auktionshaus angeboten, bei dem wir ihn 2023 erstanden haben. Allerdings trägt er den Bademantel, den die männlichen Patienten in der Psychiatrischen Klinik Friedrichsberg getragen haben. Da die männlichen Züge dominieren, präsentieren wir die "Hagere Frau", dem Werkverzeichnis folgend, wieder als Mann. Dafür sprechen vor allem der ausgeprägte Kehlkopf und die tief gewachsenen Koteletten, mit den gänzlich haarfreien Ohren und den streng nach hinten gekämmten Haaren. Für Frauen heute wie damals absolut untypisch. Charakteristisch für moderne Frauen war der Haarschnitt, den Elfriede Lohse-Wächtler auf dem oben gezeigten Foto trägt.

In der Galerie in Miami wurde 2022 ein weiteres Werk von Elfriede Lohse-Wächtler verkauft - gleiche Provenienz wie "Junge Frau". Es ist ein Selbstportrait aus dem Jahre 1929, dem Jahr, als die Malerin in einer psychisch kritischen Situation war und in die Nervenheilanstalt Friedrichsberg eingewiesen wurde. Wir sehen hier die bemerkenswerte Darstellung einer Frau, die ihr Leiden nicht verbirgt. Auch hier handelt es sich wohl um ein Werk, das Elfriede Lohse-Wächtler verkaufen konnte. Wir zeigen es hier mit Erlaubnis des Eigentümers, da das Werk nun in Privatbesitz ist und sonst nicht mehr zu sehen wäre:

 

Elfriede Lohse-Wächtler

Selbstportrait / 1929 / Aquarell auf Papier / 37 x 25 cm

 

 

 

Elfriede Lohse-Wächtler

Elfriede Lohse-Wächtler

 

Elfriede Lohse-Wächtler

Stolperstein in Dresden