Elisabeth Ronget

*1899 Konitz/Polen ― †1980 Paris



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Im Café

Jazzband




B i o g r a p h i e


Elisabeth Ronget wurde am 9. September 1899 als Liesbeth Bohm in eine jüdische Familie geboren. Ihr Frühwerk aus den 1930er Jahren ist stark kubistisch beeinflusst. Studiert hat sie u. a. in Paris bei dem berühmten französischen Kubisten André Lhote. Vor dem Hintergrund des anwachsenden Nationalsozialismus hat sie Deutschland schon 1930 Richtung Paris verlassen. Ihre Eltern wurden Mitte der 1940er Jahre im KZ Theresienstadt ermordet. Als die Wehrmacht in Frankreich einmarschiert ist, flüchtet sie nach Casablanca, wo sie einige Monate festsitzt, bis sie mit dem Luxusliner Serpa Pinto nach New York reisen kann. Es war die Reise, bei der das Schiff in der Nähe der Bermudas von einem deutschen U-Boot gestoppt wurde und versenkt werden sollte, nachdem die fast 400 Passagiere in die Rettungsboote umgestiegen waren.


Familiengeschichte

Elisabeth Ronget-Bohm wurde am 9. September 1899 als Liesbeth Bohm in Konitz in Westpreußen, heute Polen, als zweite Tochter des Rechtsanwaltes Salomo Bohm und seiner Frau Margarete Spanier in eine jüdische Familie geboren. Gestorben ist sie am 24. Juni 1980 in Paris.

Die Eltern haben am 18.03.1897 in Bernburg an der Saale geheiratet. Dort wurde Margarete Spanier am 26.04.1876 auch geboren. Salomo Bohm kam am 23.04.1860 in Graudenz, damals Westpreußen, heute Polen, zur Welt. Beide wurden am 24.07.1942 von Hannover in das "Ghetto" Theresienstadt deportiert. Salomo Bohm starb dort am 28.09.1942 - seine Frau Margarete vier Monate später am 11.02.1943. In den Todesfallanzeigen des "Ghettos" werden in der Regel medizinische Gründe für den Tod angegeben. Es ist allerdings davon auszugehen, dass die Menschen dort ermordet wurden. Auch die offizielle Bezeichnung "Ghetto" war eine Täuschung der Opfer, denn auch Theresienstadt war ein KZ. Der letzte Wohnort der Familie vor der Deportation war das sogenannte "Judenhaus" in der Ellernstraße 16. Es war das ehemalige jüdische Krankenhaus und Pflegeheim. Da Salomo Bohm ab 1940 nicht mehr im Adressverzeichnis von Hannover zu finden ist, ist davon auszugehen, dass er und seine Frau schon 1939 in dieses Haus eingewiesen wurden. Am 23. Juli 1942 wurden die letzten Patienten und zwangseingewiesenen Juden, insgesamt 148 Personen, nach Theresienstadt transportiert, darunter Elisabeths Eltern, der Bruder ihres Vaters und dessen Frau. Ihre Schwester Edith wurde am 17.04.1898 in Konitz geboren und ist 1978 in New York gestorben. Sie war verheiratet mit dem 1886 in Neuwied geborenen Arzt Dr. Ernst Rosenfeld. Beide reisten im Januar 1939 von Rotterdam nach New York und haben dort am 16.01.1939 die amerikanische Staatsbürgerschaft beantragt.


Schulzeit und Jugend in Hannover

Salomo Bohm taucht im Adressbuch von Hannover zum ersten Mal im Jahre 1904 auf. Somit ist er im Laufe des Jahres 1903 mit seiner Familie von Konitz nach Hannover gezogen. Ein Zusammenhang mit der Konitzer Mordaffäre, die am 11.03.1900 mit dem Verschwinden eines 18-jährigen Gymnasiasten begann und im April mit einem Progrom an der jüdischen Bevölkerung und dem Abbrennen der Synagoge endete, ist denkbar. Denn in der Folge hat sich die Situation für die jüdische Bevölkerung in Konitz weiter verschlechtert. In Hannover wohnte die Familie von 1903 bis 1909 zunächst in der Yorckstraße 5, ab 1909 in der Steinriede 7, ab 1928 in der Prinzenstraße 14 und von 1932 bis 1939 in der Leisewitzstraße 55. Elisabeth war 1903 vier Jahre alt und ging zwei Jahre später in die Schule. Schon in jungen Jahren zeigte sich ihr künstlerisches Talent im Zeichnen. Nach Beendigung der Grundschule wurde sie 1913 Schülerin an der Kunstgewerbeschule in Hannover.


Aktivitäten am Bauhaus

In Hannover, wo ihr Vater zu den Gründern der Kestner-Gesellschaft gehörte, kam sie in Berührung mit den Ideen des Bauhauses in Weimar und träumte davon, Architektin zu werden. Aber das Bauhaus war nicht nur Bau und Dekoration, sondern auch darstellende Kunst. In einem Interview von 1974 mit dem Korrespondenten der WELT in Paris, August Graf von Krageneck, sagt sie: „Ich hasste damals die Malerei, gab ihr keine Zukunft“. Stattdessen lernte sie im Bauhaus, wie sie im Interview mit Stolz sagte, "die graphische Kunst wie ein Handwerk, sauber und ordentlich". Hierfür gibt es allerdings in den Bauhausarchiven keine Belege.


Kunststudium in München

Langsam glitt sie dann doch in die Malerei hinüber, ging 1917 nach München an die Kunsthochschule, verdiente sich ihr Studium als Zuträgerin in einem Wäsche-Großgeschäft und im Trachtengeschäft Wallach. Nebenbei arbeitet sie für das Ullstein-Blatt "Die Dame".


Berliner Jahre

Anfang der 1920er Jahre zog es sie nach Berlin, wo sie Kontakt aufnahm zu den Künstlern der Novembergruppe, damals die künstlerische Avantgarde im brodelnden Berlin der 20er Jahre. Elisabeth sah, dass die Modernisten eine völlig neue Art und Weise vorschlugen, Kunst zu machen und zu betrachten. Sie kommentierte: „Man muss alles bisher Gelernte vergessen, nicht nur vergessen, sondern so tun, als hätte man noch nie ein Gemälde gesehen, als ob die Gesetze der Perspektive nicht existieren und die elementaren Konstruktionsprinzipien nie erfunden worden wären.“ Sie begann, ihre kubistischen Werke in Restaurants und Buchhandlungen auszustellen und erfolgreiche Verkäufe ermutigten sie, weiterzumachen. Aber sie sah bald, dass München und Berlin, dass die Weimarer Republik mit ihrem aufziehenden politischen Unwetter keine Zukunft für eine ehrgeizige junge Künstlerin bot.


Exil in Paris

Nachdem der Einfluss der Nationalsozialisten in der Gesellschaft immer stärker wurde, kehrte sie Deutschland 1930 den Rücken und ging nach Paris. In dem Interview mit August Graf von Krageneck sagt sie: "Ich ging schon 30 nach Paris. Ich sah die Ereignisse kommen." In Paris schrieb sie sich an der Academie de la Grande Chaumiere ein und verdiente ihren Lebensunterhalt mit der Dekoration von Restaurants und dem Entwerfen von Stoffen und Tapeten für französische Modehäuser. Sie lernt den Fliegeroffizier und späteren Widerstandshelden Georges Emile Ronget kennen, den sie am 23.10.1934 heiratet. Georges Ronget, am 21.12.1907 geboren, ist acht Jahre Jünger als Elisabeth. Seit 1929 war er Militärpilot und ab 1933 Zivilpilot. Zum Zeitpunkt der Hochzeit war er laut Heiratsurkunde „Ritter der Ehrenlegion“. In dieser Zeit gelang es ihr, in einen Kreis von Malern um André Lhote aufgenommen zu werden, dem französischen Meister des Kubismus. In seinem Atelier entdeckte sie die Vielfalt der Farben. Unter Lhotes Einfluss und dem anderer französischer Kubisten vereinfachten sich ihre Formen und ihre Farbpalette änderte sich. Nun dominieren die Erdtöne Ocker und Braun, sowie Violett und Blau. Die Formen werden abgeflacht und vereinfacht, Hintergründe auf Felder mit geometrischen Mustern reduziert. Elisabeths Themenwahl entsprach der anderer Kubisten und umfasste Stilleben, Portraits und Barszenen. 1934 begann Elisabeth mit André Lhote im Salon d'Automne auszustellen. Eine Reihe von Einzelausstellungen folgte und führte zu Verkäufen an Sammler in ganz Europa. Ab April 1935 wohnten Elisabeth und Georges Ronget in der Villa Junot 7, heute Avenue Junot, im 18. Arrondissement in Paris.


Flucht nach Toulouse

Nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Frankreich im Juni 1940, verließ Elisabeth Paris und ging nach Toulouse. Ihr Ehemann Georges Ronget war zu diesem Zeitpunkt für die „Forces françaises libres“, die „Streitkräfte für das Freie Frankreich“ im Kriegseinsatz. Er war Leutnant der Luftwaffe und 1940 in London stationiert, dem Sitz der französischen Exilregierung um Charles de Gaulle.


Flucht nach Casablanca

1943 verließ Elisabeth Toulouse Richtung Spanien. Vor der Weiterfahrt nach Casablanca wurde sie in Spanien verhaftet und war acht Tage in einem Gefängnis. Von Casablanca sollte es weitergehen nach New York. Aber in Casablanca sind zur damaligen Zeit viele Flüchtlinge gestrandet, die ebenfalls in die "Neue Welt" wollten und auf ihre Weiterreise warteten. Auch Elisabeth wartet über ein Jahr und am 16.05.1944 ist es soweit. Mit dem portugiesischen Luxusliner "Serpa Pinto" sollte es zu ihrer Schwester nach New York gehen. Die "Serpa Pinto" hatte bei den Flüchtlingen Kultstatus, denn das Schiff hat zwischen 1940 und Kriegsende Zehntausende von Ihnen in die Freiheit gebracht. Im Interview mit Graf Krageneck sagt sie: "Ich wusste immer, dass dieses Deutschland nicht dauern würde und in Casablanca wusste ich, dass es den Krieg verloren hat!"


Auf der "Serpa Pinto" nach New York

Die Fahrt vom 16.05.1944 ab Lissabon, war die Reise, bei der das Schiff in der Nähe der Bermudas von dem deutschen U-Boot U-541 gestoppt wurde und die 385 Passagiere in die Rettungsboote umsteigen mussten. Der deutsche U-Boot-Kommandant Kurt Petersen wollte das Passagierschiff torpedieren und wartete auf die Erlaubnis des BdU (Befehlshaber der U-Boote), das Schiff zu versenken. Nach neun Stunden traf die Nachricht ein, dass das Schiff nicht versenkt werden darf. Solange trieben die Rettungsboote auf See. Es dauerte weitere sechs Stunden, bis die Boote eingesammelt und die Passagiere wieder an Bord waren. Bei dieser Aktion kamen zwei Besatzungsmitglieder und ein Baby ums Leben. Die Teilnahme von Elisabeth an dieser Fahrt ist mit Eintrag ihres Namens in der Passagierliste belegt. Ihre Staatsbürgerschaft wird dort mit "french" angegeben und ihr Beruf mit "Teacher french".


Das Ende einer Ehe

Am 02.04.1947 wurde die Ehe zwischen Elisabeth und Georges in Casablanca geschieden - vermutlich in Abwesenheit von Elisabeth. Georges Ronget kam drei Jahre später - am 13.10.1950 - als Pilot einer DC-3 beim Absturz seines Flugzeuges in der Nähe von Casablanca ums Leben. Da er in der Todesanzeige für Elisabeths Vater nicht erwähnt wird, könnte man davon ausgehen, dass sie schon 1942 nicht mehr zusammen waren. In dieser Anzeige wird Elisabeths Nachname mit "ROUGET" angegeben. Deshalb ist es auch denkbar, dass der Name "RONGET" dort bewusst nicht erwähnt wird, weil Georges Ronget zu dieser Zeit als Widerstandskämpfer im besetzten Frankreich aktiv war.


Zurück in Paris

Spätestens ab 1948 war Elisabeth wieder in Paris. Seit ihrer Flucht nach Toulouse im Jahre 1943 hat sie nicht mehr gemalt. Nach eigener Aussage nahm sie erst 1948 wieder einen Pinsel in die Hand. 1952 reiste sie wieder in die USA, wo sie in der "Art Students League of New York" zum ersten Mal ihre Bilder ausstellen konnte. Als sie 1955 nach Paris zurückkehrte, hatte sie auch dort Erfolg, konnte ausstellen und die Stadt Paris kaufte eines ihrer Bilder. Zudem stellte ihr die Stadtverwaltung ab 1970 kostenlos ein modernes Atelier in der Rue Érard, im Osten der Stadt, zur Verfügung, wo sie auch mit 75 noch jeden Tag mehrere Stunden an der Staffelei steht. Ab 1973 wird sie unterstützt vom Auktionator Claude Robert, dem wohl einflussreichsten Protagonisten des Pariser Kunstmarktes. Zusammen mit dem Sammler und Mäzen Camille Renault sorgt er dafür, dass Elisabeth bis zu ihrem Tod sorgenfrei in Paris leben kann. Sie starb am 24. Juni 1980 im Alter von fast 81 Jahren im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte, wie Briefe von 1979 an die ihr befreundete Gertraud Dünkelsbühler - Tochter des Malers Otto Dünkelsbühler - zeigen. Ihr Nachlass wurde am 20. Oktober 1980 im Auktionshaus Hôtel Drouot versteigert. Hierzu gab es einen speziellen Katalog in der La Gazette Drouot. Im Interview von 1974 mit dem Welt-Journalisten August Graf Krageneck sagt Elisabeth: "Ich würde gerne auch einmal in meiner alten Heimat ausstellen." Gemeint war Hannover, die Stadt in der sie aufgewachsen ist und ihre Jugend verbracht hat. Trotz des Bemühens deutscher Freunde und ihres Besuchs in Hannover Anfang der 1970er Jahre war ihr die Erfüllung dieses Wunsches nicht mehr vergönnt.


Anmerkungen zur Quellenlage

Für Aufenthalte in Wien und Berlin fehlen bisher die Primärquellen. Im Internet kursieren Informationen zu Wien und Berlin aus Sekundärquellen, die sich an anderer Stelle oft als falsch, lückenhaft und widersprüchlich erwiesen haben. Zu klären ist auch, wann der Kontakt mit André Lhote zu stande kam. Laut ihrer eigenen Aussage im Interview mit Graf von Krageneck erst nach 1948. Des weiteren ist zu klären, ob sie tatsächlich Bauhausschülerin war. Laut eigener Aussage im Interview war sie es. Allerdings gibt es in Weimar, Dessau und im Bauhausarchiv in Berlin keine Belege dafür. Wesentliche Aussagen im obigen Artikel stammen aus dem WELT-Interview, das August Graf von Krageneck 1974 mit Elisabeth Ronget-Bohm geführt hat. Die Typographie dieses Interviews ist in Nürnberg im Germanischen Nationalmuseum, Deutsches Kunstarchiv, unter "NL Ronget-Bohm, Elisabeth, I,B-5-0001" zu finden.


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