Dr. Elisabeth Keimer

*1898 Haselünne ― †1935 Löningen



Meine Kinder

Pius XI

Sonnenblumen




B i o g r a p h i e


In den wenigen Gemälden, die von ihr erhalten sind, offenbart sich ein eher neusachlicher Stil. Elisabeth Keimer war ein religiöser Mensch und auch ihre Themenpalette war religiös geprägt. Sie porträtierte nicht nur den Papst, sondern auch Mussolini und Göring. Ihre beste Freundin war eine Jüdin und sie selbst kam viel zu früh bei einem Autounfall ums Leben. Sie kannte die Machthaber des Dritten Reiches gut und hat gute Bekannte vor ihnen gewarnt. Elisabeth Keimer ist sicher keine klassische Vertreterin der Verschollenen Generation, aber ein Beispiel dafür, dass es in dieser Zeit nicht nur Befürworter und Gegner gab, sondern auch etwas dazwischen. Nämlich diejenigen, die sich nach außen mit dem Regime arrangiert haben, aber innerlich dagegen waren.


Familiengeschichte

Elisabeth Keimer wurde am 25.04.1898 in Haselünne im Emsland geboren. Sie war die Tochter des Försters Hubert Keimer und seiner Ehefrau Susanne, geborene Müller. Am 23.07.1935 kam sie in der Nähe ihres Heimatortes bei einem Autounfall ums Leben. Ihr Vater stammt aus einer traditionellen Försterfamilie, die über mehrere Generationen in der Herzog-Arenbergischen Forstverwaltung tätig war. Hubert Keimer, ein ausgewiesener und anerkannter Forstexperte, war demzufolge der Nachfolger seines Vaters im herzoglichen Dienst. Seine Frau Susanne ist am 8. Februar 1935 im Alter von 65 Jahren verstorben. Nur sechs Monate später kam die Tochter bei einem Autounfall ums Leben. Elisabeth hatte eine Schwester und zwei Brüder. Ein Bruder war der bekannte Ägyptologe Prof. Dr. Dr. Ludwig Keimer.


Schule und Jurastudium

Elisabeth Keimer besuchte zunächst die von Ursulinen geleitete "Höhere Töchterschule" in Haselünne und legte 1916 ihr Abitur am Gymnasium des Ursulinenklosters in Aachen ab. Ihre Eltern und die Nonnen im Ursulinenkloster erkannten und förderten frühzeitig ihre künstlerische Begabung. Mit Blick auf die unsicheren wirtschaftlichen Perspektiven nach dem noch nicht beendeten Ersten Weltkrieg, forderten ihre Eltern von ihr einen Dokortitel in einem nicht-künstlerischen Fach, bevor sie ihren künstlerischen Neigungen nachgehen durfte. Und Elisabeth lieferte! Nach dem Abitur startete sie ihr Jurastudium an der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster, das sie 1918 an der Ludwig-Maximilians-Universität in München fortsetzte und 1919 mit der Promotion an der Julius-Maximilians-Universität in Würzburg abschloss.


Kunststudium in München

1920 begann sie ihr Kunststudium an der Staatlichen Kunstgewerbeschule in München. Einer ihrer Lehrer war der Expressionist Prof. Willi Geiger. Hier lernte sie auch den Münchener Maler und Werbegrafiker Otto Dünkelsbühler (geboren am 24. April 1898 in München, gestorben am 6. Februar 1977 in Nagold) kennen, den sie 1922 heiratete. Das bedeutete wohl das Ende ihres Studiums, was sie später bedauerte.


Ehe mit Otto Dünkelsbühler

Das Ehepaar wohnte im Münchener Stadtteil Schwabing. Dort richteten sie sich eine kleine Werkstatt für kunstgewerbliche Emaillearbeiten ein und betrieben einen Brennofen zur Herstellung von Broschen und anderen metallischen Dekorationsgegenständen. Doch die Zeiten in München waren schwierig und das Künstlerehepaar lebte in ganz bescheidenen Verhältnissen, zumal 1924 die Tochter Gertraud und 1926 der Sohn Peter geboren wurden. Mitte der 1920er Jahre ging es in Berlin kulturell und vor allem kommerziell steil nach oben und wie viele andere Künstler, zog es auch Elisabeth Keimer und Otto Dünkelsbühler 1926 in das vermeintliche Eldorado an der Spree. Zuvor hatte Otto Dünkelsbühler mit einer seiner Arbeiten einen Preis des Berliner Ullstein-Verlags gewonnen. Nach dem Umzug in die Burggrafenstraße in Berlin begann es in der Ehe zu kriseln. Elisabeth spricht von einer "schweren menschlichen Enttäuschung". In ihrem Tagebuch schreibt sie am 2. August 1926: "Schrankenlos aufgehen in einem Menschen, darf ich nie wieder." - 1930 wurde die Ehe geschieden.


Papstaudienz im Vatikan

In Berlin hatte Elisabeth Kontakt zum Arbeitskreis Katholischer Künstler, der von dem Priester und Sozialarbeiter Dr. Carl Sonnenschein gegründet wurde. Über diesen Kreis erhielt sie den Auftrag, den österreichischen Kardinal Franz Frühwirth und andere Würdenträger des Vatikans zu portraitieren. So war Elisabeth 1929 einige Monate in Rom und erhielt auch den Auftrag, ein Bild von Papst Pius XI. für ein deutsches Priesterseminar zu malen. Das war damals eine Sensation, die ein großes mediales Echo fand, denn noch nie ließ sich ein Papst von einer Frau malen. Elisabeth konnte beispielsweise den mehrseitigen Bericht "Liebenswürdiges aus dem Vatikan" mit von ihr erstellten Illustrationen in der IZ Berlin platzieren. Auch die Zeitschrift UHU und die Deutsche Welle haben berichtet. Schlagartig war Elisabeth Keimer nun nicht nur im deutschsprachigen Raum bekannt, denn der nächste Portraitwunsch kam vom italienischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini, dem sie auch nachkam. Diese Audienz fand nach ihrer Scheidung statt, bei der ihr die beiden Kinder zugesprochen wurden, die sie nun alleine großziehen musste.


Beziehung zu Hermann Göring

Ein weiterer Portraitwunsch, den sie nicht ablehnen konnte, kam von einem anderen Ministerpräsidenten - dieses Mal vom Preußischen, nämlich von Hermann Göring. Aber hier ist es anders, denn sie kannte ihn und zwar aus der Zeit vor der Machtübernahme. Unklar ist, wie dieser Kontakt zu stande kam. Es gibt Quellen, die sagen, dass Elisabeth Keimer mit Görings zweiter Frau, der Schauspielerin Emmy Sonnemann, freundschaftlich verbunden war. Eine andere Quelle sagt, dass sie Göring schon kannte, als er noch ein politischer Flüchtling war. Wie auch immer, unstrittig ist, dass Göring Elisabeth Keimer gefördert hat und ihr beispielsweise Auftragsarbeiten an seiner Villa in der Schorfheide und für eine Jagdhütte bei Berchtesgaden übertragen hat. Diese Hütte trug dann auch den Namen "Elisabeth-Keimer-Hütte". Göring hat auch maßgeblich dazu beigetragen, dass sie 1935, also kurz vor ihrem Tod, eine Professur für Mosaik und Glasmalerei an der Hochschule für freie und angewandte Kunst in Berlin erhalten hat.


Gesellschaftliches Umfeld

Nach der Scheidung ist Elisabeth Keimer in die Altonaer Straße 11 gezogen, in das Hansaviertel im Verwaltungsbezirk Tiergarten, das im Krieg nahezu vollstängig zerstört wurde. 1932 bezog sie ein Atelier in der Villa des jüdischen Verlegers Georg Bondi in der Herbertstraße 15 im Grunewald. 1934 folgte sie einer Einladung des Bankiers Eduard von der Heydt zum Monte Verita in Ascona, für dessen Villa sie ebenfalls Glasfenster entwarf, die leider verschollen sind. Befreundet war Elisabeth Keimer nachweislich mit den jüdischen Malerinnen Charlotte Behrend-Corinth, der Ehefrau des Malers Lovis Corinth, sowie mit Liesbeth Bohm, die 1934 in Paris den hochdekorierten französischen Fliegeroffizier und späteren Widerstandshelden Emile Ronget geheiratet hat. Die Wege von Elisabeth Ronget und Elisabeth Keimer kreuzten sich vermutlich in München, wo beide zur gleichen Zeit studiert haben. Weiterhin war Elisabeth Keimer befreundet mit Bruno E. Werner, dem Herausgeber des Bauhausblattes "Neue Linie", die er, obwohl seine Mutter Jüdin war, auch unter den Nazis herausgeben konnte, nachdem er sich formal zum Regime bekannt hatte. In seinem autobiographischen Roman "Die Galeere", der 1949 erschien, schildert er die seelischen Konflikte von Intellektuellen, die die NS-Ideologie innerlich ablehnten, sich aber nach außen mit ihr arrangiert haben.


Einstellung der Malerin zur NS-Ideologie

Anders als beispielsweise Emil Nolde, war Elisabeth Keimer nie Mitglied der NSDAP, oder einer anderen NS-Organisation. Schaut man sich das gesellschaftliche Umfeld der Malerin an, das durch Quellen belegt ist, kann man davon ausgehen, dass sie keine überzeugte Nationalsozialistin gewesen ist. Insbesondere die Freundschaft mit Elisabeth Ronget-Bohm lässt starke Zweifel daran aufkommen. Es ist kaum vorstellbar, dass eine Jüdin, die Deutschland schon 1930 wegen des immer größeren Einflusses der Nazis in der Gesellschaft verlassen hat, eine enge Freundschaft mit einer gläubigen Nationalsozialistin pflegen konnte. Noch 1934 hat Elisabeth Keimer ihre Freundin in Paris besucht - möglicherweise war sie zu deren Hochzeit eingeladen. Ein Jahr später, nach Bezug ihrer neuen Wohnung, hat Elisabeth Ronget sie ein weiteres Mal eingeladen, wie ein Brief vom 22.04.1935 beweist. Zudem wurde diese Freundschaft nach dem Tod Elisabeth Keimers von ihrer Tochter Gertraud wieder aufgegriffen und bis zum Tod von Elisabeth Ronget im Jahre 1980 fortgesetzt, wie mehr als 70 Briefe alleine aus den 1970er Jahren beweisen. Das zeigt, dass Elisabeth Keimer in den Augen ihrer besten Freundin keine Nationalsozialistin war. Auch nicht rückblickend vor dem Hintergrund, dass die Eltern von Elisabeth Ronget 1942 und 1943 im KZ Theresienstadt ermordet wurden. Diese Annahme wird bestätigt durch Aussagen, mit denen Bruno Werner die Malerin Margot Werth, die in seinem Roman "Die Galeere" die Malerin Elisabeth Keimer verkörpert, dort zu Wort kommen lässt.


Elisabeth Keimer als Margot Werth im Roman "Die Galeere"

„Oh, Sie Kind“, antwortete Margot Werth, „verzeihen Sie, dass ich das sage. Ich bin ja einige Jahre älter, und vor allem kenne ich diese neuen Herren. Sie werden die Macht nicht mehr gutwillig hergeben, und es werden noch ganz andere Dinge geschehen, als der Reichstagsbrand.“

„Hör auf“, unterbrach ihn die Malerin, „wir haben das tausendmal besprochen. Ihr kennt die neuen Herren nicht, wie ich sie kenne. Außerdem bist du – entschuldige – gefährlich ehrgeizig, und, um bei deiner Ausschaltung des jüdischen Einflusses zu bleiben: hier mein Freund, wird es losgehen und ist schon losgegangen. Du wirst noch ein blaues Wunder erleben."

"Margot hatte mich noch bei unserem letzten Zusammensein gefragt: „Doktor, wollen wir nicht auf eine Insel ziehen? Wissen Sie keine in der Südsee, die man kaufen oder wenigstens bewohnen könnte? Ich will raus! Aber in die Einsamkeit. Denn draußen im Ausland schäme ich mich, wenn man mich als Deutsche anspricht.“


Der tragische Autounfall

Der Unfall ereignete sich am 23. Juli 1935 um acht Uhr abends. Elisabeth Keimer war mit ihren beiden Kindern auf dem Weg von Berlin zu ihren Eltern in ihrer Heimatstadt Haselünne. In Löningen, nur wenige Kilometer vom Ziel entfernt, kollidierte der Wagen aus ungeklärten Gründen mit einem Baum. Elisabeth Keimer war sofort tot, die anderen Insassen wurden nur leicht verletzt. Laut dem Unfallbericht im "Emsländer" vom 24. Juli 1935, waren sechs Personen im Auto. Außer der Malerin und ihren beiden Kindern, der Chauffeur und zwei weitere Personen, von denen eine im Unfallbericht als ihr "Gatte" bezeichnet wurde. Allerdings hat Elisabeth Keimer nach ihrer Scheidung von Otto Dünkelsbühler nicht mehr geheiratet. Von daher ist unklar, wer der "Gatte" und die andere Person waren. Dies lässt sich auch nicht mehr klären, da die Polizeiakte nach Ablauf der Aufbewahrungspflicht vernichtet wurde. Zum Schluss noch eine Anmerkung zur Beerdigung von Elisabeth Keimer, auf deren Organisation sie logischerweise keinen Einfluss mehr hatte. Der Bericht vom 29. Juli 1935 in der Ems-Zeitung Papenburg ist im Original nebenstehend zu sehen. Der Auflauf war gewaltig und es ist zu vermuten, dass die Malerin selbst, auf die Teilnahme der NS-Größen und deren Anhängern keinen Wert mehr gelegt hätte.


W e r k e

Elisabeth Keimer malte u. a. großformatige Fresken für die Thomaskirche in Berlin. Die Zusammenarbeit mit dem Architekten und Bauhausschüler Paul Linder, der mit einer Jüdin verheiratet war und 1939 mit seiner Familie nach Peru flüchten musste, brachte ihr auch Aufträge für Sakralfenster und Mosaiken, die in den Vereinigten Werkstätten von Puhl, Wagner & Heinersdorf in Berlin-Treptow gefertigt wurden. Die Firma war der größte deutsche Hersteller von Glasmosaiken und Glasmalereien. Nach Elisabeths plötzlichem Tod wurden sämtliche Werke aus ihrem Berliner Atelier in den Werkstätten von Treptow eingelagert. Als die Luftangriffe auf Berlin immer bedrohlicher wurden, wurden ihre Werke in einem Forsthof in der Mark Brandenburg in Sicherheit gebracht. Leider vergebens, denn der Forsthof wurde komplett zerstört und mit ihm fast alle ihre Werke. Es sind nur noch wenige Originale erhalten, wie das Papstbild auf Presspappe und das Werk "Meine Kinder". Das Papstbildnis für das Priesterseminar ist verschollen. Von einem Teil der zerstörten Arbeiten existieren noch Schwarz-Weiß-Fotografien. Ein provisorisches Werkverzeichnis von 1943 ging in Berlin verloren.


Werke und Quellen sind bei Wikipedia zu finden - der Artikel wurde von uns erstellt: Wikipedia