Regina Mundlak wurde 1887 in einem Dorf in der Nähe von Lomza (Nordostpolen) in eine arme orthodoxe jüdische Familie geboren. Eine Schule konnte sie zunächst nicht besuchen. 1901 ging ihre Mutter mit ihrer Tochter Regina, die 14 Jahre alt war und ihrer zweiten Tochter, einer hochtalentierten Geigerin, nach Berlin, um einerseits dort Arbeit zu finden - andererseits in der Hoffnung, dass das künstlerische Talent ihrer Töchter dort entdeckt wird. Und tatsächlich erregte das außergewöhnliche Talent ihrer Tochter Regina sehr schnell Aufmerksamkeit in jüdischen Künstlerkreisen. Ihre Arbeit beeindruckte Max Liebermann so sehr, dass er beschloss, ihre Ausbildung zu finanzieren. Zunächst besuchte sie die private Malschule von Adolf Mayer und studierte anschließend bei Lovis Corinth. Auch von Hermann Struck wurde sie unterrichtet. Liebermann und Struck empfahlen sie nachdrücklich als Studentin an der Kunstakademie. Doch selbst mit Liebermanns Hilfe hatte Regina Mundlak Schwierigkeiten, ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Der Maler und Grafiker Ephraim Lilien, der seine Faszination für ihr Talent nicht verbarg, versuchte ihr zu helfen, indem er 1902 einen offenen Brief in der Zeitschrift "Ost und West" veröffentlichte, in welchem er die Jüdische Community um finanzielle Unterstützung für sie bat.
Trotz aller Bemühungen konnten die finanziellen Probleme nicht gelöst werden. Regina Mundlak musste ihr Studium abbrechen und ging 1902 wieder nach Warschau zurück, wo sie in elenden Verhältnissen lebte. 1902 und 1903 stellte sie ihre Werke in Warschau in der Gesellschaft zur Förderung der Schönen Künste und 1903 im Salon des Kunsthändlers Aleksander Krywult aus. 1906 kehrte sie wieder nach Berlin zurück. Im Mai 1909 wurden Werke von ihr bei einer Kollektivausstellung mit Paula Modersohn und Vincent van Gogh in der Galerie Cassirer gezeigt. Vor dem Ersten Weltkrieg verbrachte sie einige Zeit in Paris, wo sie ihre ersten Ölgemälde schuf. Jahre danach kehrte sie wiederum aus finanziellen Gründen nach Warschau zurück. Obwohl das Jüdische Museum in Berlin und der Unternehmer und Kunstförderer James Simon, sowie der Mäzen und Kunstsammler Edmond de Rothschild in Paris, einige ihrer Gemälde kauften, änderte sich nichts an ihrer Lage. 1919, 1921 und 1922 stellte sie in der Jüdischen Gemeinde in Warschau aus. 1928 hatte sie eine Einzelausstellung in Berlin und 1938 in der Jüdischen Kunstgesellschaft Warschau. 1939 stellte sie von März bis April in Vilnius aus.
Deportation
Nach der Besetzung Polens durch die Nazis wurde Regina Mundalk zunächst im Warschauer Ghetto interniert. Laut dem Historiker und Augenzeugen Emanuel Ringelblum arbeitete sie mit einer Gruppe anderer Maler und Künstler in einer Fabrik zur Herstellung von Schleifsteinen in der Ulica Mylna 18. Trotz fester Anstellung wurden alle am 25. August 1942 zum
Umschlagplatz gebracht und in das Vernichtungslager Treblinka deportiert. Als Frau hatte Regina Mundlak dort keine Chance, länger als ein paar Stunden zu überleben. Ringelblum, der im Warschauer Ghetto das Untergrundarchiv geführt hat, berichtete über die Geschehnisse während dem Transport zum
Umschlagplatz, „wo der Kommandant des Umschlagplatzes, der demoralisierte jüdische Polizist Mieczyslaw Szmerling, über Leben und Tod entschied. Szmerling kannte nur eines: Geld. Wer sich bei ihm freikaufte, den ließ er laufen. Die jüdische Intelligenz hatte kein Geld und musste deshalb nach Treblinka gehen. Ich werde nicht vergessen, wie er sich mit einer Peitsche in der Hand auf mich stürzte, weil ich mich für die Pianistin Hanna Dickstein, die Malerin Regina Mundlak und den Ökonomen Dr. Izaak Lipowski eingesetzt habe.“
Hier der ausführliche Augenzeugenbericht zu den schockierenden Ereignissen am
Umschlagplatz.
Künstlerische Entwicklung
Die 1901 veröffentlichten Zeichnungen waren vor allem realistische Porträtstudien; im Vergleich zu späteren Werken zeugen sie von einer geschickten, aber noch etwas unsicheren Handschrift. Die 1902 veröffentlichten Werke zeigen ihre seltene Beobachtungsgabe. Ihr Œuvre umfasst hauptsächlich Federzeichnungen; Impressionen und Skizzen aus dem Leben ihrer Heimat: Jüdisches Leben in Polen, Szenen aus dem häuslichen Leben der jüdischen Familie. Wie kaum andere jüdische Künstlerinnen ist sie ihrem Milieu treu geblieben und hat fast ausschließlich jüdische Charaktere aus ärmlichen Verhältnissen zum Mittelpunkt ihrer Arbeiten gemacht. Dabei hat sie in ihren Anfängen die ernsten, wirklichkeitsstrengen Momente jüdischer Erlebniswelt betont und ihren Gestalten die Schwere und Last ihres Schicksals aufgeprägt. Später hat die Künstlerin in ihren Gestalten weniger das Herbe als das Heitere, Gemütvolle, innerlich Geklärte betont – nicht ohne manchmal an Individualität einzubüßen. In den 1920er Jahren wurden etliche ihrer Motive vom Berliner Kunstverlag Phönix in Form von Postkarten reproduziert.
Obwohl sie eine sehr talentierte Künstlerin war und im Umfeld jüdischer Künstler in Berlin zu Beginn des 20. Jahrhunderts bekannt war, geriet sie fast völlig in Vergessenheit. Man kann ihr einen gewissen Konservativismus und mangelndes Interesse an modernen Kunsttrends vorwerfen. Sie selbst sagte dazu: „Ich verstehe moderne Kunst nicht, sie ist mir völlig fremd. Ich habe nicht versucht, anders zu malen, genauso wenig wie ich versuchen kann, anders zu leben.“ Dennoch ist ihr Werk wichtig, sowohl als Dokumentation der „exotischen“ Welt der osteuropäischen Juden als auch aufgrund der darin enthaltenen künstlerischen Werte.
Der Kunsthistoriker Otto Schneid, der Regina Mundlak persönlich kannte, berichtete nach dem Krieg in noch erhaltenen Dokumenten, dass ihr Werk damals "aus einer unvorstellbaren Menge von Zeichnungen, jedenfalls Tausenden, die von Miniaturen bis zu ganzen Figuren in Lebensgröße reichten", bestand. Leider wurde fast ihr komplettes Werk in den Wirren des Zweiten Weltkrieges vernichtet und deshalb ist es wichtig, dass man die wenigen Werke, die heute noch existieren, öffentlich zugänglich macht.
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